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Kultureller Wandel

Wie vielerorts in der Türkei, so ist auch Kappadokien vom modernen Wandel nicht ausgeschlossen. Die Region hat sich vor allem seit dem rasanten Aufstieg des Massentourismus, gepaart mit einer intensiven infrastrukturellen Entwicklung vor allem in den letzten zwanzig Jahren enorm gewandelt.

Von einer weitgehend subsistent wirtschaftenden Bauernbevölkerung, die ihren bescheidenen Lebensunterhalt durch den mühsamen Anbau von Weintrauben, Früchten und ein wenig Feld und Gartenwirtschaft bestritt, hat sich die Lebenssituation inzwischen grundlegend geändert.

Die sich rasant modernisierende Türkei sowie der Massentourismus boten neue Einkommensquellen, die vor allem die männliche Jugend anlockte. Die erwarteten Gewinnspannen lagen weit über dem, was in der traditionellen Lebensweise der Vätergeneration zu erwirtschaften war. Seit Mitte der 1980.er Jahre kam es zu einem ökonomischen Aufstieg, der enorme Veränderungen nicht nur in der Siedlungsstruktur Kappadokiens, sondern auch in sozialer Hinsicht mit sich brachte.

Schon in den Jahren zuvor waren viele Bewohner der Region in die europäischen Länder als "Gastarbeiter" abgewandert, um dort gut bezahlte Arbeit zu finden. Ein Großteil der Einkommen floß wieder zurück in die Herkunftsregionen und viele Rückkehrer bauten mit ihren finanziellen Abfindungen und Rentenzahlungen neue Häuser, die eindeutig von westlichen Vorbildern und einer gewissen "Modernität", sowie Prestigebewußtsein geprägt waren.

Auch im Bildungssektor kam es nun zu Änderungen, wobei immer mehr Jugendliche beiderlei Geschlechts eine höhere Schule besuchten. Auch Das Fernsehen mit immer neuen Kanälen und Satllitenempfangsmöglichkeit hatte nun eindeutigen Einfluß auf die Bevölkerung, die sich zunehmend an neuen städtischen Werten orientierte.

Wenngleich das Leben in der Region nach wie vor noch zu großen Teilen zwischen den Geschlechtern getrennt verläuft, ist doch ein Wandel eingetreten, bei dem viele alte Werte an Bedeutung verlieren, um durch neue, vor allem kommerzieller Natur ersetzt zu werden. Aspekte der Nächstenliebe und Gemeinschaft, Gastfreundschaft und Menschlichkeit werden zunehmend mißachtet und in einer Art Doppelmoral gelebt. Eifersucht und Profitdenken führen zu charakterlichen Änderungen, die in dieser Form wohl noch nie in so kurzer Zeit die bis dahin traditionell lebende ländliche Bevölkerung gefordert haben.

Der bis dahin kaum bekannte Alkoholismus und ein latent vorhandenes Agressionspotential förderten den Zerfall ehemals wichtiger kultureller Werte. Viele, vor allem aus der jüngeren Generation verschuldeten sich und hofften auf schnelle Gewinne durch den Fremdenverkehr, der in der Regel nicht den Erwartungen gemäß erzielt werden konnte. Es fehlte oftmals eine entsprechende Ausbildung im Tourismus und gute ausländische Sprachkenntnisse wurden erst langsam erworben.

Heute trennt sich zunehmend die "Spreu vom Weizen" und talentierte junge Kappadokier. Eine erfolgreiche Gruppe von Jungunternehmern, die mit Eigeninnitiative, großem Willen und Lernbegierde quasi autodidaktisch in die neuen Herausforderungen reingewachsen sind, führen heute gutgehende Tourismusunternehmen oder sind sonstwie ökonomisch erfolgreich, während eine andere Gruppe mangels Kapital und Eigeninnitiative nicht so richtig "in die Sprünge" kommt.

Das Maß an Frustration und Verzweiflung ist daher vielfach hoch, da sich die junge Generation oft vollständig von den traditionellen Wirtschaftssytemen verabschiedet hat und nicht mehr weiß, wie man die ehemalige Landwirtschaft erfolgreich weiterführen kann.

Finanzielle Probleme werden oftmals noch von der Großfamilie aufgefangen, aber der zunehmede Charakter der Verstädterung füht zu Phänomemen der Arbeitslosigkeit, die es früher in dieser form nie gegeben hat.

Allerdings ist zu betonen, daß die neuen Herausforderungen für viele junge Leute eine willkommene Chance bietet, dem kulturellen und sozialen Wandel der modernen Türkei zu folgen, was sich nicht zuletzt auch nur stärkere Rechte der weiblichen Bevölkerung bemerkbar macht.