Unterirdische St”dte |
H–hlenkirchen | Byzantinische
Vorbilder | Einschiffige Kapelle oder Basilika
| Breit- oder Querraumkirchen | Kreuzf–rmige
Kirchen | Kreuzkuppelkirchen | Fresken
& Malerei | Farben | Datierung
und Chronologie | Weiterf¸hrende Literatur
Unterirdische Städte
Schon in vorchristlichen Jahrhunderten waren unterirdische
Behausungen in anderen Teilen Anatoliens weit verbreitet.
Über die Anfänge dieser ausgehöhlen Anlagen,
die in den Tuff Kappdokiens gegraben wurden, haben wir nur
Vermutungen.
Tatsächlich ist anzunehmen, dass bereits die Phyger
die Ebene um Kaymakli & Derinkuyu als "Frontgebiet"
gegen die immer stärker nach Westen eindringen Assyrer
verteidigten und auszubauen begannen. Wohlmöglich haben
also erste militärstrategische Aspekte beim Ausbau dieser
unterirdischen Anlagen Pate gestanden.
Es ist auszuschließen, dass diese unterirdischen Fluchtburgen
als Siedlung oder echte "Stadt" über einen
längeren Zeitraum fungiert haben. Zu vermuten ist vielmehr,
dass es sich bei diesen über mehrere Stockwerke verlaufenden
und mit mühlsteinähnlichen Rolltüren verriegelbaren
Anlagen um frühe "Bunker" handelt.
Dennoch finden sich auch in vielen dieser "unterirdischen
Städte" Sakralanlagen wie Kapellen oder gar großeren,
kreuzförmig aus dem Tufffels gestalteten Kirchen. Wenngleich
diese meist einfach ausgestaltet waren, weist dieses doch
auch auf eine religöse Tätigkeit im "Untergrund"
hin. Vielfach wurden diese einmal geschaffenen Anlagen
im Laufe der Jahrhunderte und je nach Bedrohungssituation entsprechend unterschiedlich genutzt.
Höhlenkirchen
Heutzutage ist der Name Kappadokien unweigerlich mit der
großen Anzahl byzantinischer Höhlenkirchen verbunden,
die zumeist zwischen dem 5.- 14. Jh entstanden und teilweise
bis heute außergewöhnlich gut erhalten sind. Mehr
als tausend Höhlenkirchen unterschiedlichen Stils und
Ausschmückung, die heute zunehmend der Erosion ausgesetzt
sind, waren mit ein wichtiger Grund dafür, dass die UNESCO
1985 Kappadokien zum Weltkulturerbe erklärte.
Die Kirchen Kappadokiens und die oftmals noch erstaunlich gut erhaltenen Fresken
sind in unzähligen wissenschaftlichen Werken weitgehend ausreichend dokumentiert.
Lediglich zur Datierung einzelner Kirchen bleiben nach wie vor Fragen offen.
Im Folgenden werden die wichtigsten Grundtypen in ihrer Grundstruktur beschrieben:
Byzantinische Vorbilder
Als Vorbild für die kappadokischen Kirchen dienten die
aus Stein errichteten Kirchen byzantinischer Baukunst in anderen
Teilen des Landes. Dieser Vorbildcharakter hatte bis zum Ende
der byzantinischen Zeit für Kappadokien Geltung. Es wurden
also bereits bekannte Kirchentypen kopiert und quasi in einer
Negativarchitektur inklusive statisch hier unbedeutender Gewölbe
und Säulenkonstruktionen aus dem Tuffstein gehölt.
Einschiffige Kapelle oder
Basilika
Die einfachste und häufigste Form von Sakralbauten, die
wir in Kappadokien kennen, sind tonnengewölbte, rechteckige
Einraumkirchen. Sie waren meist nach Osten hin orientiert
und schlossen dort mit einer halbrunden Apsis ab. Gelegentlich
waren diese Kirchen auch mit einer Flachdecke versehen, doch
ist dies die Ausnahme. Oftmals ist dem Kirchenschiff (Naos)
noch eine kleine Vorhalle (Natex) vorgelagert, die oftmals
auch mit ausgehölten Grabmulden versehen waren, in denen
wichtige Persönlickeiten beigesetzt wurden. Diese Kirchen
waren meist nur einfach ausgeschmückt. ("Hacli Kilise"
im Tal von Kizil Cukur)
Breit- oder Querraumkirchen
Diese Gruppe unterscheidet sich von erster durch größere
Ausmaße und feinere Ausschmückung. Wie der Name
schon sagt, bestimmt hier ein Querschiff die Kirchenform und
meist finden sich drei Apsiden. Dieser Kirchentyp, der ursprünglich
vermutlich im mesopotamischen Raum verbreitet war, ist in
vielen Größenordungen in Kappadokien vertreten.
Diese Kirchen kommen als ein-, zwei- oder auch dreischiffige
Typen vor, die teilweise gewaltige Ausmaße erreichen.
Eine der größten Kirchen dieser Art in Kappadokien
ist die nahe des Freilichtmuseums Göreme gelegene "Tokali
Kilise", die mit 5,30 m Tiefe und 10,30 m Breite zu den
größten Höhlenkirchen der näheren Region
zählt. Ein schönes Beispiel einer dreischiffigen
Basilika dieser Art ist auch die südlich der Ortschaft
Göreme gelegene "Durmus Kilise", die aus dem
6. Jh. stammt und in der auch typische Elemente der Innenausstattung
wie eine freistehende Predigtkanzel (Ambo), sowie eine Schrankenanlage
in der Apsis (Templon) erhalten sind.
Kreuzförmige Kirchen
Einen anderen wichtigen Typus der Höhlenarchitektur stellt
die kreuzförmige Kirche dar, deren Vorbilder in ganz
Kleinasien verbreitet waren. Oftmals ist Apsis direkt ohne
dazwischenliegenenden Kreuzarm direkt an das zentrale Mittelquadrat
angefügt. Daneben gibt es vielerlei unterschiedliche
Varianten und manchmal verschleiern eine Reihe von Nebenräumen
die ursprüngliche Kreuzform. Eine der schönsten
Kirchen dieser Art ist die inzwischen restaurierte "El
Nazar Kilise" im Tal von Göreme. Eine Besonderheit
stellt der Typ der Trikonchos dar, wobei die Grundform durch
ein lateinisches Kreuz gebildet wird, wobei alle drei Kreuzarme
in halbrunden, apsidenförmigen Konchen enden. Dieser
Typus ist nicht nur in Kappadokien ausgesprochen selten ("Tagar
Kilise" bei Yesilöz) und hat seinen bedeutensten
Vertreter in der Geburtskirche zu Bethlehem.
Kreuzkuppelkirchen
Dieser Typus ist sicherlich der für Kappadokien bedeutenste.
Er war eine der wichtigsten Neuerungen der mittelbyzantinischen
Sakralbaukunst, der bis zum Ende des byzantinischen Reiches
bestimmend blieb. Kirchen dieser Art sind durch mit Querarmen
erweiterte, quadratische und überkuppelte Vierungen geprägt.
Oftmals wird die Zentralkuppel durch vier Säulen scheinbar
gestützt, die allerdings ihrer statischen Funktion in
der Höhlenbauweise entbehren. So finden sich einzelne
Kirchen bei denen die Säulenansätze in grotesker
Weise wie Stalaktiten von oben herab hängen ohne irgendwelche
Stützfunktionen auszuüben. Durch das statisch weitgehend
sorglose Gestalten der Höhlenkirchen in dem Tuffgestein
kommen vor allem bei diesem Typ auch vielerlei Mischformen
vor, wobei Tonne, Kuppel, Kreuzgewölbe oder auch Flachdecken
in vielfältigen formationen vorkommen. Wichtige Vertreter
dieses Typus sind die "St. Barbara Kilise", die
"Elmali Kilise", die "Karanlik Kilise",
sowie die "Kiliclar Kilise", die alle im Open-Air
Museum Göreme oder nicht weit davon liegen.
Zusammfassend läßt sich also sagen, daß sich in Kappadokien
kein eigenständiger Kirchentyp herausgebildet hat, sondern vielerlei Formen
aus bereits in anderen Gegenden enstandenen Bautypen reproduziert und in lediglich
"negativer", also substrahiernder Form aus dem Tuffgestein gemeißelt
wurden. Allerdings bot diese Höhlenbauweise genügend Spielraum, um
den Baumeistern jener Zeit genügend Variationsmöglichkeiten zu geben,
um Formen und Kombinationen zu erproben, die anderorts so in dieser Form nicht
möglich gewesen wären.
Fresken & Malerei
Neben der Architektur der Höhlenkirchen sind auch deren Fresken und die
Malerei von kunstgeschichtlich interessanter Bedeutung. Über technische
Aspekte erfahren wir erst in später byzantinischer Zeit, so dass vieles
an Details noch erforscht werden muss. Für die spätere Zeit aber wissen
wir, dass die wasserlöslichen Farben <al fresco> auf den noch feuchten
Kalkmörtelgrund aufgetragen wurden, der auch für die Kirchen von Göreme
und Kappadokien in einigen Fällen anzufinden ist. Weiter verbreitet in
Kappadokien war aber eine Art Gipsputz, der schnell erstarrte und sich daher
kaum für die Feuchtmaltechnik eignete. Es wurde also vor allem in der <al
socco> Technik auf trockenem Untergrund gearbeitet.
Farben
die meisten Farben, die für die Ausschmückung der
Kirchen genutzt wurden waren mineralischer Art oder Pflanzenfarben,
die mit Wasser, Kasein und/oder Leim gemischt wurden. Auch
eine Gummi-Emulsion wurde vielfach verwendet. Weit verbreitet
waren die okkerfarbenen Pigmente, die auch in der unmittelbaren
Umgebung der täler Göremes gefunden werden.
Datierung und Chronologie
Wegen der großen Fülle von mit Malerei und Skulptur
ausgestalteten Höhlenkirchen können wir zwischen
fünf Reihen von Schmuckformen in den Höhlenkirchen
unterscheiden, doch gibt es auch hier viele Zwischenphasen
hoher Komplexität, worauf im einzelnen hier nicht weiter
eingegangen werden kann:
I. Zur ersten Epoche, die zwischen dem 5. Jh. und Mitte des 9. Jhdts. zu datieren
ist, zählen etwa 15% aller in Kappadokien entdeckten Kirchen. Die ersten
Maler bedienten sich der frühchristlichen Symbolsprache. Fische, Kreuzmotive
in Medaillons, Palmbäume, aber auch der Weinstock werden oft in einfacher
Weise angeordnet. Auch Flechtornamente und Pflanzendarstellungen sind verbreitet
zu finden und säumen oftmal die figuralen Darstellungen, die meist vor
dem Bilderstreit (Ikonoklasmus, also vor 726 bzw. zwischen 787-815) geschaffen
wurden. Während des Ikonoklasmus erscheint dann das Kreuz als wichtigstes
Symbol der Christenheit in besonders vielfältigen Variationen.
II. Nach dem Bilderstreit entwickelte sich ein Stil, in dem erzählende
Szenen zunehmend beliebter wurden während ornamentale Muster und die frühchristliche
Symbolik zunehmend in den Hintergrund gerieten. Diese Epoche, die von dem berühmten
Kirchenforscher der kappadokischen Sakralkunst, Pater G. de Jerphanion, die
"archaische Zeit" genannt wurde dauerte etwa vom Ende des Bilderstreits
bis in die Mitte des 10. Jahrhunderts. Während dieser Phase kam es auch
zu einer Blütezeit des byzantinischen Mönchstums und große Aufmerksamkeit
wurde der sorgfältigen Ausschmückung der Kirchen verwendet. Teilweise
wurde in mehreren Reihen Szenen aus dem Leben Christi und anderer Heiliger dargestellt.
Fast 35% aller kappadokischer Sakralbauten können dieser Phase zugeordnet
werden.
III. Mitte des 10. und um die Wende zum 11. Jh. kam es zu einer Hochblüte
des byzantinischen Gemäldestils, der auch "makedonische Renaissance"
genannt wird. Hier bildete sich unter der Verwendung hauptsädtischer Vorbilder
aus der hochentwickelten Künstlerschule der in Konstantinopel herrschenden
makedonischen Dynastie eine Stilrichtung heraus, deren Gemälde durch ihre
Harmonie, Farbpracht, eleganz der Bewegung und Ausdruckskraft der Gesichter
zu wahren Meisterwerken der kappadokischen Sakralkunst gerieten. Hierzu zählen
immerhin etwa 10% aller in Kappadokien ausgemalten Höhlenkirchen.
IV. Die Kunst des 11. Jahrhunderts in Kappadokien ist wahrhaftig von einem
hochbyzantinischen Charakter geprägt. Hier verliert sich vollkommen der
noch etwas volkstümlich erscheinende Stil der archaisichen Phase. Viele
Kirchen, die zuvor nur mit einfachem Ocker in weitgehend primitiver Form mit
einfachsten geometrischen Motiven oder auch nur Quadermotiven ausgemalt waren
wurden nun übermalt. Die besten Künstler jener Zeit wurden nun, von
Konstantinopel gesponsert, nach Kappadokien geschickt, um vor allem die großen
Säulenkirchen um Göreme und deren Gewölbe in einer Art und Weise
mit biblischen Szenen auszumalen, die vom künstlerischen Niveau zu den
besten Werken des spätbyzantinischen Reiches zählten. Etwa 25% aller
erhaltener Ausschmückungen fallen in diese Zeit
V. Für das späte 11. Jh und das 12. Jh. sind so gut wie keine Kirchenausstattungen
bekannt. Nach dem einfall der Seldschuken entvölkerten sich die Mönchskolonien
und viele Gläubige zogen nach Griechenland (u.a. Athos) ab. Nur wenige
Inschriften belegen, dass das christliche Leben auch während dieser Zeit
nicht vollkommen erlosch. Erst im frühen 13. Jh. kam es zu einem langsamen
Wiederaufleben des Klosterlebens in Kappadokien, welches die muslimischen Seldschuken
mit relativ großer Toleranz, aber dafür mit Sondersteuereinnahmen
akzeptierten. Die Qualität der Ausschmückung erreichte bei weitem
nicht mehr das Niveau des 10. und 11. Jahrhunderts. Die Malerschulen existierten
nicht mehr und viel Fachwissen schien verloren, so dass die Mönche dieser
letzten Epoche nur auf das Kopieren alter Meister angewiesen waren, ohne freilich
deren Vollkommenheit zu erreichen. Von den bekannten Kirchen der Region zählen
trotzdem immerhin fast 10% zu dieser letzten Periode.
Die kunstgeschichtliche Betrachtung der Höhlenkirchen Kappadokiens zeigt
uns einmal mehr, wie wichtig diese Relikte zur Erkenntnis des regionalen mönchischen
Lebens und deren Vorstellungen in der byzantinischen Zeit waren. Die verschiedenen
Stilrichtungen lassen jeweils erkennen unter welchem Einfluß gerade die
Kolonien standen und wie sich ihr religiöses Denken gestaltete. Selbst
Hinweise zur Alltagskultur, deren Kleidung, Muster und Dekorformen können
wir aus diesen alten Ausschmückungen herauslesen.
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Weiterführende Literatur:
Budde, Ludwig; Höhlenkirchen in Kappadokien; Düsseldorf, 1958
Cormack, R.; Byzantine Cappadocia: The Archaic Group of Wall-Paintings.
in: Journal of the British Archaeological Association 30,
1967
Jerphanion, P.W. de; Une nouvelle Province de l´art Byzantine - Les eglises
rupestre de Cappadoce. 3 Texbde 3 Bildbde; Paris, 1925-1942
Kostof, Spiro; Caves of God; The Monastic Environment of Byzantine Cappadocia.
MIT Press, 1972
Thierry, Nicole; Die Felskirchen Kappadokiens In: Kunst in Kappadokien. Hg.
Giovannini, Luciano, Nagel Verlag, Genf, 1972, S 129 -167
Wagner, Jörg; Göreme; Felstürme und Höhlenkirchen im türkischen
Hochland. Verlag Kohlhammer, Stuttgart, 1979
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